Schlagzeilen:

Die Firma Brinkmann war ihrer Zeit voraus

Tschirn: Beim Abriss des Wohnhauses an der ehemaligen alten Fabrik in Tschirn sind interessante Dokumente zu Tage gekommen.

Die Firma Brinkmann aus Heidelberg war Mitte des vergangenen Jahrhunderts seiner Zeit weit voraus und hat zur Grundsteinlegung des Gebäudes vor mehr als 65 Jahren einen Zinkbehälter eingemauert. In diesem befand sich neben zwei Schachteln Zigarren auch der folgende zweiseitige Brief, dort heißt es: (Original Text)

Es ist für die spätere Generationen vielleicht interessant, einen kurzen Abriß über die Entstehung dieses für die Zigarrenfabrikation der Firma Brinkmann-GmbH errichteten Gebäudes überliefert zu erhalten:

Am 15. Februar 1939 eröffnete die Firma Brinkmann-GmbH in Tschirn eine Zigarrenfabrikationsstätte, und die hierin beschäftigen Leute wurden in der Zigarrenfertigung angelernt. Der derzeitige Stand beträgt 52 Belegschaftsmitarbeiter, wie aus beifolgender Aufstellung hervorgeht. Die seinerzeit gemieteten Räume in der Gastwirtschaft „Zum Frankenwald“ in Tschirn erwiesen sich schon recht bald als zu klein, und es wurde von dem damals amtierenden Bürgermeister, Herrn Hader, im Einvernehmen mit der Firma Brinkmann-GmbH, bereits im Jahr 1940 der Plan zur Errichtung eines Fabrikgebäudes seitens der Gemeinde erwogen. Die seinerzeitigen Pläne wurden von dem Firmen-Architekten, Herrn Strohecker, entworfen, und der Bau sollte – da alle Voraussetzungen für dessen Durchführung geschaffen waren – noch im Jahr 1940 verwirklicht werden.

Durch den zweiten Weltkrieg und die damit bedingte Materialknappheit, musste dieses Projekt jedoch fallen gelassen werden, und beim Zusammenbruch im Jahr 1945 wurde der Betrieb vorübergehend geschlossen.

Auf Drängen des hochwürdigen Pfarrers und der Gemeinde Tschirn, entschloss sich die Firma Brinkmann-GmbH, den Betrieb im Jahr 1956 wiederzueröffnen, um der Notlage, in die die Bevölkerung der Gemeinde Tschirn durch die Beschäftigungslosigkeit gekommen war, Einhalt zu gebieten.

Nachdem der vorerwähnte Bürgermeister, Herr Hader, im Jahre 1952 durch das Vertrauen der Bevölkerung wieder zum Bürgermeister gewählt wurde, griff er das alte Projekt wieder auf, und nach langwierigen Verhandlungen, unter Einbeziehung des Landrates des Kreises Kronach, Herrn Reg.-Rat Dr. Emmert, wurden die staatlichen bayerischen Stellen, sowie das Wirtschaftsministerium und das Flüchtlingsministerium in Bonn für diesen Plan interessiert.

Bedingt durch die Nähe der Zonengrenze, hat sich die Wirtschaftslage der Gemeinde Tschirn weiter katastrophal verschlechtert, und die Firma Brinkmann-GmbH erklärte sich erneut bereit, hier helfend einzugreifen. Nachdem verschiedene Pläne durch den Firmen-Architekten, Herrn Walter Bauer, den Bauunternehmer Schwierz in Kronach und den Bauunternehmer Rebhan in Teuschnitz gefertigt wurden, ist im Einvernehmen mit den zuständigen Herren der Firma Brinkmann-GmbH der den Ansprüchen einer Zigarrenfabrikation Rechnung tragende Plan von Herrn Architekten Bauer als Grundlage für die Bauausführung ausgewählt worden.

Die Kosten für die Herstellung des Gebäudes werden nach den Vorschlägen ca. DM 100.000.- betragen, die durch Finanzierungen seitens staatlicher Stellen gesichert sind, so dass die Gemeinde Tschirn dieses Gebäude als ihr Eigentum errichtet. Die Finanzierung der Heizungsanlage wird durch die Firma Brinkmann-GmbH vorgenommen, die auch mit der Gemeinde Tschirn einen zehnjährigen Mietvertrag abgeschlossen hat, und zwar beträgt die derzeitige Miete für das Fabrikgebäude, einschliesslich Werkmeisterwohnung, DM 200.- je Monat.

Die Firma Brinkmann-GmbH verpflichtet sich, um der Gemeinde Tschirn zu helfen, 120 Leute Dauer-Arbeitsplätze zu geben, was sich sowohl zum Wohle der Beschäftigten der Gemeinde, als auch der Firma Brinkmann-GmbH auswirken möge.

Es ist vorgesehen, dass im Spätjahr das Jahres 1953 das Gebäude dem vorgesehenen Zweck übergeben werden kann, und alle an dem Bau Beteiligten und in dem fertiggestellten Gebäuden Beschäftigten und für die Beschäftigt den verantwortlichen Kräfte der Firma Brinkmann-GmbH bitten den Allmächtigen, dass er dem Werk seinen Segen nicht versagen möge.

Heidelberg/Tschirn, 25. Juli 1953

In den eingangs erwähnten Zinkkästchen befanden sich jeweils ein Satz (1/40) Zigarren Nr. 410 „Julian Gonzales“ und ein Satz (1/40) Zigarren Nr. 440 „Erbförster“. Der Kleinverkaufspreis betrug damals je Stück 40 Pfennig. Der Durchschnittspreis von Zigarren war zur dieser Zeit mit 18 Pfennig angegeben. In der gehobenen Preisklasse lag der Absatz lediglich bei vier Prozent und war höchstwahrscheinlich den gut betuchten vorenthalten. Auf der 52 Namen umfassenden Mitarbeiterliste war scherte altersmäßig nur der Werkmeister Georg Horn aus, dieser war zu diesem Zeitpunkt 65 Jahre alt. Die vorwiegend beschäftigten Frauen waren meist zwischen 20 und 30 Jahre alt. Als „Nesthäkchen“ sind die beiden 15- jährigen Agnes Böhnlein und Alma Schuberth verzeichnet.

Das Gebäude wurde in den 60er Jahren von der Loewe Opta und später in dem 70er Jahren von der Firma Dr. Schneider genutzt und ging später an einen Privatmann über. Im vergangenen Jahr hat der Nachbar Erik Hofmann die Produktionshalle sowie das Wohnhaus erworben. Beim jetzigen Abriss des Hauses ist dieser mit seinen Bruder Sebastian auf die verlötete Zinkkiste gestoßen. Die 65 Jahre alten Schriftstücke, wie auch die beiden Kisten Zigarren sind in einen guten Zustand.

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Beim Abriss des an der ehemaligen Zigarrenfabrik angebauten Wohnhauses kam eine Zinkkiste mit Dokumenten von der Grundsteinlegung aus dem Jahr 1953 zum Vorschein. Foto: Michael Wunder